Die Rolle der Farblehre in der industriellen Bildverarbeitung
Kleine Farblehre
Um ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie Licht und Farbe zusammenspielen, ist es notwendig, zunächst einige Grundlagen zu verstehen.
Ein erster wichtiger Punkt ist die Mischung von Farben. Die Grundfarben sind stets Rot, Grün und Blau. Jeder kennt es aus der Kindheit. Umso mehr Farben gemischt werden, desto dunkler erscheinen die daraus resultierenden Mischfarben.
Werden alle drei Grundfarben zu gleichen Anteilen gemixt, erhält man Schwarz. Diese Art der Farbmischung nennt man subtraktiv. Sie lässt sich auf alle Verfahren übertragen, bei denen Farbpigmente vermischt werden.
Arbeiten wir mit Licht, sprechen wir von der additiven Farbmischung. Mixt man rotes, grünes und blaues Licht zu gleichen Teilen, erhält man weißes Licht. Rotes und grünes Licht zu gleichen Teilen ohne Anteile von blauem Licht hingegen ergeben Gelb, Rot und Blau Magenta sowie Blau und Grün Cyan. Dieses Wissen ist notwendig, um zu verstehen, wie farbige Körper mit farbigem Licht agieren.
Weißes Licht setzt sich demzufolge aus den drei Wellenlängen Rot, Grün und Blau zusammen.
Deshalb liegt es nahe, dass weißes Licht nicht mit einer Wellenlängenangabe versehen werden kann. Vielmehr wird zum Klassifizieren von weißem Licht die Farbtemperatur genutzt. Diese wird in Kelvin angegeben und entspricht der Temperatur eines schwarzen Körpers, dem Planckschen Strahler. Der schwarze Körper absorbiert jegliche elektromagnetische Strahlung. Wird dieser jedoch erhitzt, beginnt er zu glühen und leuchtet somit im sichtbaren Spektrum.
Die Temperatur, bei der dies geschieht, ist die Farbtemperatur.
Licht und Farbe
Nun wollen wir die Grundlagen rund um Licht, Wellenlänge und Farbe miteinander verknüpfen und einen Bezug zur Bildverarbeitung herstellen. Die Auswahl der richtigen Wellenlänge ist vor allem bei Bildverarbeitungsaufgaben mit farbigen Objekten und Untergründen ein wichtiger Aspekt. Insbesondere in Kombination mit monochromen Kameras können mithilfe der richtigen Lichtfarbe Effekte erzielt werden, die die Lösung vieler Machine Vision Applikationen entscheidend verbessern.
Es wird der Kontrast im Prüfbild wesentlich erhöht, ohne zusätzliche optische oder Software-Filter zu nutzen. Dies vereinfacht die Bildverarbeitungsaufgabe maßgeblich.
Das Prinzip dabei ist denkbar einfach: Ein Objekt reflektiert bestimmte Wellenlängen und erscheint dadurch für unser Auge farbig. Ein Gegenstand, den wir als rot wahrnehmen, reflektiert also den roten Anteil des Lichts. Andere Wellenlängen hingegen werden absorbiert.
Das bedeutet im Umkehrschluss: Beleuchtet man ein rotes Prüfteil mit rotem Licht erscheint es hell im Bild. Beleuchtet man es hingegen mit einer Wellenlänge, die keinen Rotanteil besitzt, wird das Licht absorbiert, das Objekt erscheint dunkel.
Video zum Einfluss von Farbe auf die Lichtreflektion und -absorption
Betrachtet man nun noch einmal das Farbrad, lässt sich dieser Effekt leicht auf andere Farben und Wellenlängen übertragen. Wird ein gelbes Objekt mit einer blauen Beleuchtung angestrahlt, wirkt es schwarz. Mit Rot oder Grün beleuchtet, reflektieren die roten oder grünen Farbanteile das Licht. Das Objekt erscheint hell.
Wichtig ist dabei zu beachten, dass weiße Körper alle Wellenlängen reflektieren und schwarze das Licht am stärksten absorbieren. Diese Körper reagieren also im Regelfall unabhängig von der Lichtfarbe.
Die Anwendungsgebiete für farbige Beleuchtungen sind vielfältig. Sie werden zum Beispiel in der Verpackungsindustrie zur Aufdruckkontrolle, in der Montage von farbigen Kunststoffteilen oder bei Pick&Place-Aufgaben mit farbigen Objekten oder Untergründen eingesetzt.
Infrarot
Nachdem wir die Wechselwirkung verschiedener Wellenlängen und farbiger Objekte dargestellt haben, widmen wir uns nun dem nicht sichtbaren Spektrum. Hier kommt es zu besonderen Effekten. Vor allem im langwelligen Infrarotbereich reagieren farbige und bedruckte Materialien anders als im sichtbaren Spektrum.
Die Reflexion und Absorption von infraroter Strahlung ist weniger abhängig von der Materialfarbe, als von den Material- und Oberflächeneigenschaften. So reflektiert und absorbiert ein und dasselbe Material unabhängig von der Einfärbung gleich stark. Wird beispielsweise eine bedruckte Oberfläche beleuchtet, kann der Aufdruck auf der Oberfläche für die Kamera fast gänzlich ausgeblendet werden. Alle Farben reflektieren die Strahlung gleichmäßig. Ähnlich ist es bei verschieden eingefärbten Kunststoffen, Etiketten und sogar bei vielen Verfahren des Thermotransferdrucks.
Eine Ausnahme davon bilden schwarze und weiße Bereiche. Hier gilt weiterhin die Grundregel: Schwarz absorbiert alle Wellenlängen am stärksten, während Weiß alle Wellenlängen reflektiert. Dadurch erscheinen schwarze und weiße Objekte weiterhin schwarz und weiß im Bild. Infrarotbeleuchtungen können also im Zusammenspiel mit farbigen Objekten dazu eingesetzt werden, gezielt Bereiche auszublenden.
Ein Beispiel aus der Praxis:
Besonders bei der Verpackung von Lebensmitteln wird hoher Wert auf eine ansprechende Gestaltung gelegt, um dadurch den Kunden zum Kauf anzuregen. Der Druck ist deshalb meist flächenfüllend und vielfarbig. Soll darauf ein bestimmtes Merkmal, wie ein Mindesthaltbarkeitsdatum oder ein Barcode erkannt werden, steigt die Schwierigkeit für die Bildverarbeitung. An dieser Stelle kommt die Infrarotbeleuchtung ins Spiel. Gerade wichtige Kennzeichen wie das Mindesthaltbarkeitsdatum werden oftmals in Schwarz gedruckt oder geprägt. Wird sich dann die Wirkung von infraroter Strahlung auf Farbe zunutze gemacht, kann man einen unruhigen Hintergrund „ausblenden“. Der Aufdruck tritt deutlich in den Vordergrund und kann problemlos ausgewertet werden.
Doch nicht nur im Zusammenspiel mit farbigen Prüfobjekten spielt die langwellige Infrarotstrahlung eine wichtige Rolle. Infrarotbeleuchtungen können auch dazu genutzt werden, bestimmte Materialien zu durchleuchten. Dieses Verfahren kommt zum Beispiel bei der Durchlichtkontrolle auf Transportbändern zum Einsatz.
Ebenso zum Fremdlichtausschluss in Verbindung mit speziellen Filtern kann Infrarotstrahlung verwendet werden. Diese Möglichkeit wird im Themenbereich "Optische Filter" näher erläutert.